Wer nicht am Ball bleibt, ist schnell im Abseits

Ein Texter muss am Ball bleiben

Auf der einen Seite gibt es ein Heer an Arbeitslosen. Auf der anderen reden alle von Fachkräftemangel. Wie geht das zusammen? Liegt das wirklich nur an der demografischen Entwicklung? Ich habe noch einen anderen Grund ausgemacht.

Berufe im Wandel: Grafik-DesignDie Kommunikationsbranche hat einen gewaltigen Technologie-Wandel durchlaufen. Als ich Ende der 80er Jahre in der Werbeabteilung bei Nokia anfing, entstanden meine Texte noch auf der Schreibmaschine. Die gingen dann zur Setzerei und drei Tage später kamen Satzfahnen zurück, die dann der Grafiker in sein Layout klebte. Der gesamte Prozess erforderte ein ständiges hin und her von Unterlagen und war damit entsprechend zeitaufwändig.

Berufe im Wandel - Text und GrafikDoch dann mischte ein angebissener Apfel die Szene auf, alles sprach von Desktop Publishing und die Grafiker wurden in zwei Lager gespalten. Die einen lächelten über die Newcomer vor ihren Monitoren. Die anderen stellten  sich um und schickten ihre Layouts fortan online zur Druckerei. Setzereien brauchte keiner mehr und der Beruf des Setzers war überflüssig.

Die zweite Welle des Technologiewandels kam um den Jahrtausendwechsel und hieß schlicht und einfach Internet. Printwerbung galt plötzlich als Schnee von gestern und die klassischen Werbeagenturen verschwanden reihenweise vom Markt. Gefragt waren jetzt keine Grafiker mehr, die weiterhin in der Papierwelt steckten. Die Zukunft gehörte den Mediengestaltern mit einem völlig neuen Berufsbild.

Ähnliche Erfahrungen, immer dasselbe Bild

Ähnliche Prozesse kann man in vielen Branchen verfolgen. Mechanik verliert an Bedeutung, während alles digital wird. Arbeitsprozesse verändern sich. Ganze Berufe verschwinden und wer sich nicht rechtzeitig darauf eingestellt hat, wird eben aussortiert.

Vor einiger Zeit führte mich eine Reportage-Reise nach Schramberg im Schwarzwald. Der Ort war einst eine Hochburg der Uhrenindustrie. Doch die gibt es praktisch nicht mehr. Was es gibt, sind unzählige Feinmechaniker, die von den alten Zeiten träumen, aber den Anschluss an die Gegenwart nie geschafft haben.

Über Xing lernte ich einen Grafiker kennen und traf mich mit ihm in einem Lübecker Café. Er ist der Urheber zahlreicher Markenlogos, die jeder von uns kennt. Doch er hat zeitlebens für eine Werbeagentur gearbeitet, die ihn irgendwann nicht mehr brauchte. Für seine Branche galt er als zu alt und an Selbstständigkeit hat er nie gedacht. Jetzt hat er viel Zeit und einen Kopf voller Erinnerungen.

Bei einem Business-Dinner lernte ich einen Personalberater kennen. Ich berichtete ihm von meinen Erfahrungen mit mittelständischen Unternehmen. Sie alle suchen händeringend nach Mitarbeitern. Gleichzeitig gibt es ein Heer an Arbeitslosen. Was stimmt da nicht? „Diejenigen, die einen Job suchen, haben selten die Qualifikation, die gebraucht wird,“ lautete seine Antwort und er ergänzte: „Da gibt es Programmierer, die einfach die falschen Programmiersprachen beherrschen, Elektroingenieure, die nichts von Digitaltechnik verstehen und Sachbearbeiter, die sich mit dem Computer schwertun.“

Ein Großteil der Arbeitslosen setzt sich also aus Leuten zusammen, die jahrelang einfach ihren Job gemacht haben und dabei gar nicht merkten, wie sich die Welt um sie herum verändert hat.

Lust auf Neues ohne Angst vor Veränderung

Anfang der 90er Jahre nahm die Digitalisierung der Kommunikationsbranche gerade ihren Anfang. Gleichzeitig löste sich die einst große deutsche Unterhaltungselektronik praktisch in Luft auf. Nokia schloss seinen Standort in Pforzheim und damit auch die Marketing-Abteilung, wo ich jahrelang gearbeitet hatte. Meine Kollegen meldeten sich entweder arbeitslos oder gingen in Frührente.

Daran wollte ich allerdings noch nicht einmal denken. Aber das musste ich ja auch gar nicht. Ich hatte nämlich das Ende des Unternehmens vorhergesehen, das schon seit Jahren immer schlechtere Umsätze machte. Und ich hatte meinen Einstieg in die Freiberuflichkeit langfristig vorbereitet.

Was mir dabei half ist meine wohl angeborene Neugier auf alles Neue. Auf eigene Faust zu arbeiten war daher für mich keine Herausforderung, sondern ein faszinierendes Projekt, dem ich gut vorbereitet und mit tausend Ideen im Kopf entgegensah. Bereut habe ich es bis heute nicht. Denn wer vor allem Neuen und Unbekannten nicht zurückschreckt, der hat ja eigentlich schon mal beste Voraussetzungen, um als Texter erfolgreich zu sein.

Außerdem ist es wohl meinem inhärenten Spieltrieb zu verdanken, dass mit Veränderungen eigentlich nie Angst gemacht haben. Ich hatte schon meine eigene Website, da fragte mich im Kollegenkreis noch, was das denn bringen soll. Und ich hatte schon eine eMail-Adresse, als ich den Kunden noch erklären musste, was denn der Unterschied zum Fax sei. Über das Internet of Things schrieb ich bereits, als nur wenige Insider wussten, was das überhaupt ist. Und was Ethernet APL ist, wird Sie nur interessieren, wenn Sie eine Chemieanlage betreiben.

Das Leben ist eben einfach spannend, wenn man immer offen für Neues ist.