Digitale Verkehrssteuerung als Lösungsweg
Der Hamburger Hafen ist ein einziges Verkehrschaos. Bis jetzt zumindest, denn es läuft derzeit (2022) ein Verkehrsprojekt, das für einen flüssigeren Verkehr und weniger Staus sorgen soll. Die Technologien dahinter lassen sich mit einigem Aufwand auch auf ganz Hamburg übertragen und könnten schon bald in jedem deutschen Ballungsgebiet zum Standard gehören.
Ein Containerschiff muss innerhalb von maximal 72 Stunden entladen sein. Das erfordert allein im Hamburger Hafen den Transport von bis zu 10.000 Containern täglich. Ein Großteil davon wird per LKW transportiert und sorgt damit für ein enormes Verkehrsaufkommen, das allmählich an seine Grenzen gerät. Für einen Ausbau des Straßennetzes ist schlicht und einfach kein Platz mehr im Hafen. Also muss nach anderen Lösungen gesucht werden.
Eine davon trägt den Namen MOZART. Das steht für Mobility Optimization und Digital-Twin Analysis in Realtime Traffic und steht für nichts Geringeres als ein intelligentes, digitales Verkehrsleitsystem. Die Grundidee ist das Prinzip der grünen Welle. Aber es geht noch um viel mehr. Es geht um ein vollständig digitales Abbild des gesamten Verkehrsgeschehens im Hafen, also um einen digitalen Zwilling aller Fahrzeugbewegungen in Echtzeit.
Dieser Digital Twin erfordert nicht nur unzählige Sensoren, die gewaltige Datenmengen erzeugen. Es ist auch ein gigantischer Rechenaufwand erforderlich, um diese Daten zu verarbeiten. Schließlich geht es darum, die sich ständig ändernde Verkehrssituation im Computer abzubilden, um daraus gezielte Maßnahmen zur Steuerung des Verkehrsflusses abzuleiten.
Ich konnte dazu mit Mozart Projektleiter Rando Schade sprechen: „Es ist eine immense Rechenleistung erforderlich,“ beschreibt er die Anforderungen an das System: „Schließlich muss innerhalb von Sekunden unter Millionen von Möglichkeiten ein Optimalwert gefunden werden, um daraus unter sich ständig verändernden Bedingungen einen bestmöglichen Verkehrsdurchsatz zu erreichen.“
„Es ist gewissermaßen die größtmögliche Annäherung an den Quantencomputer. Wir liegen mit diesem Projekt technologisch weltweit vorn,“ lautet daher der Kommentar von HPA-Chef Jens Meier, der in einer Pressemitteilung verkündet, dass das System in der Lage sein wird, auch einen um 20 % höheren Verkehrsfluss im Hamburger Hafen zu bewältigen. Die Hamburg Port Authority (HPA) arbeitet bei diesem Projekt mit dem japanischen Technologiekonzern Fujitsu und der Technischen Universität Graz in Österreich zusammen.
Um die erklärten Ziele zu erreichen, setzt man nicht gleich auf die Gesamtlösung, sondern geht in kleinen Schritten vor. In der ersten Phase geht es daher nur um eine Straßensituation am Neuhofer Damm am östlichen Ende der Köhlbrandbrücke. Alle Ampeln in diesem als besonders chaotisch bekannten Bereich sollen dafür verkehrsabhängig über das System angesteuert werden. Außerdem soll das System an die bereits vorhandene Verkehrssensorik im Hafenbereich angebunden werden.
Die Hamburger wollen sich vier Jahre Zeit nehmen, um Erfahrungen zu sammeln und das Potenzial des Systems auszuloten. Danach soll es Schritt für Schritt darangehen, weitere ampelgesteuerte Bereiche im Hafen anzubinden und auch eine Vernetzung mit den übrigen Hamburger Verkehrskonzepten zu erreichen.
Ich hatte schon immer den Eindruck, dass die Ballungsgebiete des Landes nicht nur deshalb im Dauerstau festgefahren sind, weil es einfach zu viele Autos gibt. Es liegt auch daran, dass der Verkehr noch immer so gesteuert wird, wie schon vor fünfzig Jahren, als Ampeln nicht mehr konnten, als stur zwischen Rot- und Grünphasen zu wechseln. Die gleichzeitig gelobte und verteufelte Digitalisierung wird zwar nicht das Ende aller Verkehrsprobleme sein. Aber sie wird den Durchsatz der Fahrzeuge in einer Region deutlich beschleunigen und kritische Situationen entschärfen.