Ist das noch Arbeit oder schon Vergnügen
Manche Leute beneiden mich ja. „Der fährt in Urlaub und wird noch dafür bezahlt,“ heißt es, wenn ich über meine Reisereportagen berichte. Zugegeben, es gibt weniger attraktivere Arten, sein Geld zu verdienen. Aber eine Reisereportage ist doch etwas anderes als eine Urlaubsreise zum Vergnügen. Das meint vor allem meine Partnerin, die so nett ist, mich bei meinen Reisen mit dem Wohnmobil zu begleiten.
Auf meiner Website bezeichne ich mich unter anderem als Reisejournalist. Normalerweise sind das Leute, die irgendwo hin reisen und darüber einen Reisebericht schreiben, den sie dann an irgend ein Magazin verkaufen. Oder sie schreiben einen Reiseführer und wollen dafür Informationen direkt vor Ort recherchieren. Es gibt auch Blogger, die sich von irgend einem Hotel oder einer Tourismus-Organisation zu einer Destination einladen lassen und dann einen positiven Artikel darüber schreiben.
Bei mir ist es etwas anderes. Ich war schon immer leidenschaftlicher Caravaner und Wohmobil-Fahrer. Mein erstes Gefährt war ein VW Campingbus. Das war kurz nach der Heirat und ich bin mit dem gebraucht gekauften Gefährt durch halb Europa gefahren. Wir waren damals noch jung und Komfort war noch nicht das ganz große Thema. Ein Bett zum Schlafen, Kuscheln und was ein junges Paar sonst noch tut, genügte uns vollkommen. Dass es nur wenig mehr als einen Meter breit war, störte uns nicht. Ein winziger Herd genügte fürs Frühstück oder ein simples Abendessen. Eine Kühlbox sorgte für leidlich kühle Getränke und Lebensmittel.
Irgendwann kam Candy, unsere Tochter, und aus dem Bully wurde ein Wohnwagen. Drei Jahre später trat Cedrick in unser Leben und es wurde ein Bürstner mit Doppelbett angeschafft. Danach folgten dann noch mehrere weitere Modelle, die immer größer und immer komfortabler wurden. Am Ende hatten die Kinder ein Alter erreicht, in denen es ihnen peinlich erschien, mit den Eltern in Urlaub zu fahren und wir waren wieder zu Zweit. Der Wohnwagen war mittlerweile sieben Meter lang und hatte ein separates Schlafzimmer und eine eingebaute Fahrradgarage.
Irgendwann Anfang der 90er Jahre rief mich eine Werbeagentur aus Offenburg an. Die hatten erfahren, dass ich schon viel für Mercedes geschrieben hatte, und wollten wissen, ob ich mir zutrauen würde, auch über Freizeitfahrzeuge zu schreiben. Es ging um Bürstner. Ich sagte, dass ich einen Bürstner Wohnwagen vor der Tür stehen hatte und hatte den Job. Die Geschäftsbeziehung hielt über zehn Jahre und es hat mir immer Spaß gemacht, über ein Thema zu schreiben, zu dem ich eine ganz persönliche Affinität habe. Nicht nur für Bürstner, sondern auch für Truma, La Strada, Carthago und später Hobby.
Der zweite Akt der Geschichte begann 2013. Damals traf ich einen Fotografen, der Fotoreportagen für das Kundenmagazin eines norddeutschen Caravan-Herstellers machte. Wir kamen uns näher und beschlossen, die nächste Reise gemeinsam zu machen. Es sollte nach Nordirland gehen. Das Land, das ich bisher nur für die IRA-Anschlüge in Belfast und Londonderry gekannt hatte, war inzwischen ein interessantes Tourismus-Ziel geworden. Ich übernahm die Planung unserer Reise und schrieb meinen ersten Reisebericht.
Bei so einer Reisereportage kann man nichts dem Zufall überlassen. Da muss jeder Tag genau geplant werden. Es gilt, Interview-Termine mit irgendwelchen Tourismus-Vertretern zu vereinbaren, Führungen zu buchen und nicht nur die üblichen Sehenswürdigkeiten abzuhaken, sondern auch ein paar nicht ganz alltägliche Highlights auszumachen, die man nicht in jedem Reiseführer findet. Wohnmobilisten sind schließlich die Individualisten unter den Reisenden und die wollen dorthin fahren, wo nicht schon alle anderen gewesen sind.
Mit dem Reisemobil fährt man nicht einfach irgendwo hin, um dort seinen Urlaub zu verbringen. Vielmehr bewegt man sich nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“. Man steckt sich eine Route ab und nicht selten verläuft die geplante Reise völlig anders, als man es eigentlich vorhatte. Das ist eben der Vorteil, wenn man auf eigene Faust verreist und nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist. Ein Reisemobil bietet zwar lange nicht den Komfort eines Hotels. Aber dafür ist man unabhängig, muss nichts lange im voraus buchen und kann jederzeit seine Pläne ändern.
Als Journalist kann man sich diese Freiheit nicht wirklich leisten, auch wenn eine Reise selten haargenau so verläuft, wie es auf dem Reiseplan steht. Den muss ich nämlich lange vor der Abfahrt erstellen und er schluckt ganz schnell mal zwei, drei Tage Arbeitszeit. Er beginnt mit einer umfangreichen Webrecherche. Schließlich muss ich möglichst viele gute Bilder schießen und will daher nichts verpassen, was es entlang der Route zu sehen gibt. Außerdem muss ich herausfinden, wo man eine interessante Führung machen kann und wer einem Dinge erzählen kann, die nicht in jedem Reiseführer stehen. Ergänzend durchsuche ich das Internet nach Veranstaltungen in der Region, die in die Reisezeit fallen.
Das Ergebnis der Planungsphase ist eine Kanban-Übersicht, in der jeder Tag zumindest stundengenau geplant ist: Welche Strecke muss zurückgelegt werden? Wie viel Zeit wird dafür benötigt? Was muss besichtigt und fotografiert werden. Wo kann man gut essen? Wo wird übernachtet? Auch die zurückgelegten Kilometer, die Spritkosten und die Kosten für Besichtigungen, Führungen, Veranstaltungen, Restaurantbesuche und Verpflegung werden möglichst genau kalkuliert.
Manchmal müssen auch Fährtickets gebucht werden, was man am besten tut, bevor einem andere zuvorkommen und man vielleicht Kompromisse eingehen oder den Reisezeitraum anpassen muss.
Ich vermute mal, dass niemand seine privaten Urlaubspläne so penibel angeht und sich so viel Zeit für die Planung nimmt, um nichts dem Zufall zu überlassen. Aber eine Reportagereise ist eben keine Urlaubsreise.
Wenn man derart gut vorbereitet ist, kann man die geplante Tour selbst eigentlich ganz entspannt angehen. Man tut einfach, was auf der Liste steht und hat alle Informationen parat, die man unterwegs vielleicht benötigt. Aber wie gesagt, Plan und Realität driften auch schnell mal auseinander und man muss unterwegs improvisieren. In der Bretagne hatte ich mir zum Beispiel viel zu viel vorgenommen und habe dann unterwegs entschieden, welchen Ort ich eben auslasse, um für die anderen Themen mehr Zeit zu haben. Das Keltische Musikfest in Quimper habe ich zum Beispiel bei schönstem Wetter an einem Nachmittag abgehandelt. Am nächsten Tag regnete es dann und ich bin einfach weiter gefahren.
Der eigentliche Reisebericht entsteht meist wenige Tage nach Rückkehr von der Reise. Da sind die Erinnerungen noch frisch und die Sätze fließen einfach schneller aus der Hand. Ich reserviere dafür ein bis zwei Tage. Genauso viel wie für die Auswahl und Bearbeitung der Fotos, die ich dem Verlag schicke.
Interesse, wo ich schon überall war? Ein Besuch bei mobil&frei vermittelt einen recht umfassenden Eindruck davon.