Webinare: Die Zukunft hat begonnen
Seminare sind Tankstellen für neues Wissen. Irgendwie fühlen sie sich an, wie noch mal die Schulbank drücken. Nur dass das Klassenzimmer ein Konferenzraum ist oder gar eine Veranstaltungshalle. Und vorne steht kein verbeamteter Lehrer, sondern irgend ein Mensch, von dem sich die Teilnehmer neue Erkenntnisse erhoffen. Zumindest war das bis 2019 so. Aber dann hat sich alles verändert.
Tagungen, Konferenzen und eben auch Seminare gehörten zum Kerngeschäft jedes besseren Hotels. Ihr Themenspektrum ist vielseitig. Es reicht von der Esoterik bis zum Motivationstraining und von der Produktpräsentation bis zur Vermittlung neuer Fähigkeiten. Hier werden Erkenntnisse gewonnen. Hier entstehen neue Einsichten und Ansichten. Hier tauscht man sich aus und erweitert sein Wissen.
Allerdings sind und waren Seminare eine recht aufwendige Sache. Man muss stundenlang mit dem Auto, der Bahn oder dem Flugzeug anreisen. Man muss sich ein Hotelzimmer mieten. Und man muss nicht selten vierstellige Beträge für den Veranstalter abdrücken. Am Ende hat man zwar viel gelernt. Aber man war auch tagelang unterwegs, während die Arbeit liegen blieb. Außerdem ist die Kapazität eines Konferenzraumes und selbst einer Veranstaltungshalle immer begrenzt und damit die Zahl der Teilnehmer, die an einem Seminar teilnehmen können.
Webinare waren schon immer eine Alternative, die wesentlich kostengünstiger ist und darüber hinaus enorm Zeit spart. Doch irgendwie waren sie nicht wirklich beliebt. So manch einem fehlte der persönliche Kontakt. Andere schätzten es einfach, irgendwo in einem schönen Hotel zu lernen, anstatt einfach nur vor dem Bildschirm zu sitzen. Bis Corona kam und nicht nur das Reisen zum Problem wurde, sondern auch alle Hotels geschlossen waren.
Da lag es nahe, die beste Lösung durch die zweitbeste zu ersetzen. Das Seminar wurde zum Webinar und alle haben sich daran gewöhnt. An der Vermittlung von Wissen, Erfahrungen und Erkenntnissen hat sich nichts Wesentliches geändert. Ganz im Gegenteil, ein Seminar am PC bietet viel mehr Möglichkeiten als ein Beamer oder gar ein altmodischer Flipchart. Man kann jede Art von Dokument auf den Bildschirm bringen. Man kann damit arbeiten und Bemerkungen hinzufügen. Man kann Einzelheiten hervorheben und darauf malen wie auf Papier.
Außerdem kann man ein Webinar aufzeichnen und jederzeit wieder ansehen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für alle, die eher langsam lernen oder das Gesagte nicht gleich beim ersten Mal verstehen.
Selbst die direkte Kommunikation muss nicht zu kurz kommen. So gut wie jede Software hat eine Chatfunktion, mit der man Kommentare und Rückfragen an den Seminarleiter richten kann. Selbst ein direkter Dialog in Bild und Ton ist kein Problem. Damit erhält der Seminarleiter ein Feedback und Missverständnisse sind im Handumdrehen geklärt.
Mein Schreibtisch ist zunehmend leerer geworden, seit Corona die Welt beherrscht. Gute Marketing-Kommunikation hat eben keinen allzu hohen Stellenwert, wenn Märkte wegbrechen und Unternehmen um das nackte Überleben kämpfen. Ich bin zwar nicht am Verhungern, aber ich habe auf einmal viel Zeit, die sinnvoll gefüllt werden will. Zum Beispiel mit Webinaren, wie sie mittlerweile von allen Seiten angeboten werden.
Ich habe seitdem viel gelernt. Auch über Dinge, von denen ich bisher keine Ahnung oder völlig falsche Vorstellungen hatte. Und ich musste dafür noch nicht einmal das Haus verlassen. Ich konnte mir einfach eine Kanne Tee bereitstellen und es mir in meinem superergonomischen Schreibtischstuhl bequem machen. Frühstücken beim Seminar, das gab es früher nicht. Außerdem kann ich mir auf dem linken Monitor Notizen machen, während auf dem rechten das Seminar läuft.
Irgendwann werden sicher die Hotels wieder als solche funktionieren. Menschen werden wieder direkt miteinander kommunizieren, wie sie es immer getan haben. Auch Seminare an schönen Orten wird es wieder geben.
Aber es werden vermutlich weniger sein. Corona hat nämlich die Digitalisierung spürbar vorangetrieben. Immer mehr Menschen haben gemerkt, dass man bestimmte Arbeiten auch zu Hause erledigen kann, als sich in der Rush Hour zum Arbeitsplatz vorzukämpfen. Und es wird immer mehr Leute geben, die sich lieber zu Hause vor dem Bildschirm weiterbilden, als dafür auf Reisen zu gehen.
Ich meine, das ist durchaus kein Nachteil.