Startups: Von Marketing verstehen sie meist recht wenig
Am Anfang eines Startups steht meist eine großartige Idee. Die Macher brennen dafür, das Kapital kommt aus irgendwelchen Fördertöpfen. Die Begeisterung ist ungebremst. Die Erwartungen sind hoch. Doch auf dem Weg von der Idee zum Markt geht ein Großteil dieser Energie verloren. Am Ende stehen dann viel Frust und die Frage, woran es denn gelegen haben kann.
Die Unis sind heute keine Forschungsanstalten im Elfenbeinturm mehr. Sie haben sich der Wirtschaft geöffnet und tun viel, um fähigen Studenten den Weg in die eigene Existenz zu ebnen. Wer heute eine gute Idee hat, findet nicht nur Mitstreiter aus den eigenen Reihen. Er kann auch auf zahlreiche Fördertöpfe zugreifen, die den Start ins Abenteuer zumindest finanziell weitgehend absichern. Auch gibt es genügend Coaches, Inkubatoren und Förderzentren, um auch die betriebswirtschaftliche Seite des Unternehmens auf die Reihe zu bekommen.
Doch das eigentliche Problem liegt meist an einer völlig anderen Stelle.
Ein Produkt kann noch so überzeugend sein, wenn ein junges Unternehmen nicht schafft, es in den Markt zu bringen, wird am Ende alle Mühe umsonst sein. Die Praxis sieht allerdings meist so aus, dass am Anfang zunächst einmal die gesamte Energie in das Produkt selbst fließt. Da stehen vor allem technische Aspekte im Vordergrund und es geht den gesamten Fragenkatalog von Design über Konstruktion bis zur Produktion.
An die spätere Vermarktung denkt in diesem Augenblick niemand. Aber die ist ganz plötzlich das Kernthema, wenn das Produkt schließlich fertig ist und die ersten Exemplare anrollen und an den Mann oder die Frau gebracht werden wollen. Im Gegensatz zum Produkt selbst gibt es nämlich dafür oft kein Konzept. Oftmal wurden noch nicht einmal potenzielle Kunden in den gesamten Entstehungsprozess eingebunden. Das heißt, das Produkt trifft auf einen Markt, von dem man lediglich glaubt, dass er genau das haben will.
Der Grund dafür ist, dass Unternehmensgründer meist aus dem technischen Bereich kommen. Das heißt, sie denken in neuen Technologien und faszinierenden Möglichkeiten und haben dabei selten den Kunden im Blickpunkt, den sie ja eigentlich damit überzeugen wollen. Sie glauben einfach für ein so tolles Produkt muss es einfach Käufer geben.
Ein Marketingansatz sieht hingegen völlig anders aus. Marketing fängt immer beim Kunden an. Dabei dreht sich alles um den Kunden, seine Träume, Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen. Allein für ihn wird das Produkt entwickelt, denn ihn soll es begeistern, Nutzen bringen und letztendlich zum Kauf veranlassen. Also ist er die entscheidende Antriebskraft für alles, was das Unternehmen tut.
Deshalb sollte eigentlich jedes Startup auch Marketing-Kompetenz an Bord haben und dafür genügt keine Assistentin, die etwas Werbung zustand bringt. Das muss eine Position sein, die direkt am Unternehmen beteiligt ist. Denn das Marketing ist mindestens genauso wichtig wie das Produkt selbst. Nicht er, wenn alles fertig ist, sondern bereits während des Entwicklungsprozesses, der ja letztendlich über die Eigenschaften des Produkts und seinen späteren Erfolg entscheidet.
Ich habe immer wieder Gelegenheit, mit Startups aus der Hamburger Szene ins Gespräch zu kommen. Ich mag Leute, die nicht einfach das übliche tun und mit dem Diplom in der Tasche nach einem Job bei irgend einem großen Unternehmen suchen, sondern selbst etwas auf die Beine stellen wollen. Es sind interessante Typen, die man da trifft. Menschen voller Begeisterung, die sich richtig freuen, wenn da einer kommt, der sich für ihre Idee interessiert und ihren Namen in die Welt hinaus posaunen will.
Doch die meisten verwechseln Werbung mit Marketing. Sie glauben, ein positiver Artikel in irgend einem Portal würde sie nach vorne bringen. Genauso, wie sie meinen, ein Preis bei irgend einem Startup-Wettbewerb wäre bereits die Eintrittskarte zum Erfolg.
Ein Unternehmen fällt mir da ganz spontan ein. Es ging um einen Lastenanhänger fürs Fahrrad. Dem Fahrrad gehört schließlich die Zukunft, sagten mir die drei jungen Frauen, die davon offensichtlich fest überzeugt waren. Der ebenfalls anwesende junge Mann erläuterte mir die Idee. Sie bestand aus einem Anhänger mit eingebautem Elektroantrieb. Damit könne man dann im fahrradgerechten Hamburg von morgen auch schwerere Lasten mit dem Rad transportieren. Das wäre schließlich umweltfreundlich und nachhaltig und überhaupt.
Auf die Frage, welche konkrete Zielgruppe das Produkt ansprechen sollte, kamen eher verschwommene Antworten. Da war zwar zunächst einmal von Kurierdiensten die Rede, aber hauptsächlich schienen ideologische Gesichtspunkte im Mittelpunkt zu stehen. Man wusste nämlich genau, wie Verkehr in Zukunft aussehen solle. Und man war davon überzeugt, dass künftig alles elektrisch sein werde. Also lag man mit dem Anhänger genau richtig.
Unter uns gesagt, das Ding war potthässlich. Das Gespräch fand schon vor ein paar Jahren statt und ich habe seitdem nichts mehr von der Idee gehört. Die eigene Überzeugung kann eben kein richtiges Marketing ersetzten, auch wenn sie noch so grün ist.
Wobei heute auch die Marketing-Kommunikation ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor ist. Ein Produkt kann nämlich noch so gut sein, wenn es niemand kennt, dürfte kaum ein Verkaufserfolg daraus werden. Vor der Jahrtausendwende war das noch relativ einfach. Ein paar wohlwollende Artikel in der Fachpresse und ein paar Anzeigen genügten meist schon, um den Umsatz anzuschieben und hatte man erst einmal den Handel für sich gewonnen, dann war der Rest eigentlich nur noch Routine.
Doch mittlerweile leben wir digital. Fachzeitschriften gibt es praktisch nicht mehr. Die großen Publikumszeitschriften haben auch kaum noch Auflage und Zeitung lesen eigentlich nur noch die Oldies. Heute liest man online und jeder liest nur noch das, was ihn auch interessiert. Wichtiger als eine Anzeige ist es daher, ein Produktmuster zwecks Test an die richtigen Portale zu schicken, gute Kontakte zu den Influencern zu unterhalten, eine überzeugende Website zu pflegen und vor allem auf allen Social Media-Kanälen präsent zu sein.
Wer heute einen Fuß im Markt haben will, muss sich also da aufhalten, wo die Zielgruppe ist. Und die will keine klassische, eindimensionale Werbung mehr, sondern echte Kommunikation in beide Richtungen.