Vertrauensverlust: Werbung traut man einfach nicht
Werbeagenturen genießen so gut wie kein Vertrauen. Das zeigt zum Beispiel das Institution Ranking von Forsa mit beharrlicher Zuverlässigkeit. Werber landen dort auf dem allerletzten Platz. Ganz vorne findet man die Ärzte, die Polizei, die Universitäten und das Bundesverfassungsgericht. Über die Gründe darf spekuliert werden.
Die Ärzteschaft im Land schätzen 85 % von 4.000 befragten Bundesbürgern als vertrauenswürdig ein. Polizei und Universitäten genießen immerhin noch bei 80% von ihnen ein hohes Ansehen. Sogar den Gerichten haben vertrauen rund drei Viertel der Menschen. Etwa genauso viele sind mit den kommunalen Unternehmen zufrieden. Sie finden also, dass Müllabfuhr, Straßenreinigung und der ÖPNV zufriedenstellend und zuverlässig arbeiten.
Das Schlusslicht bilden Manager (9 %), der Islam (8 %) und die Werbeagenturen (4 %). Bei Managern kann ich mir das ja noch vorstellen. Nicht weil die alle so schlecht sind, sondern weil sie meist nur dann ins öffentliche Bewusstsein rücken, wenn mal wieder schlechte Nachrichten angesagt sind. Entlassungen zum Beispiel. Oder die Verlagerung von Produktion ins östliche Ausland. Auch dass der Islam auf der Beliebtheitsskala nicht ganz oben steht, ist durchaus nachzuvollziehen. Wenn sich Imame über Frauen äußern kommt das eben in der Mitte Europas nicht gut an. Aber Werbeagenturen? Was ist an Werbeagenturen so negativ?
„Wenn Sie einen Dollar in Ihr Unternehmen stecken wollen, so müssen Sie einen weiteren bereithalten, um das bekannt zu machen.“ Das hat Henry Ford gesagt. Von ihm stammt auch der Spruch „Wer nicht wirbt, der stirbt“.
Damit ist eigentlich der Kern des Themas bereits getroffen. Selbst wer etwas zu verschenken hat, wird es nicht loswerden, wenn er nicht darüber redet und seine Absicht möglichst vielen Menschen bekannt macht. Und wer sein altes Handy loswerden will, wird es bei eBay einstellen und in sein Angebot alles reinschreiben, was es Positives zu sagen gibt. Selbst wer einen Job sucht, wird Bewerbungsunterlagen zusammenstellen, in denen er sich in möglcihst gutem Licht darstellt.
Das leuchtet jedem ein. Aber nur wenige realisieren, dass auch das nicht anderes als Werbung ist.
Werbung ist schließlich nichts anderes, als die Kommunikation, ohne die Kaufen und Verkaufen nicht möglich ist. Ein Kaufmann, der einfach nur auf Kunden wartet, wird nicht allzu weit kommen. Beim Konkurrenten gegenüber, der alle Briefkästen der Stadt mit Flyern gefüllt hat, wird das völlig anders aussehen. Wer übersehen wird, hat das Nachsehen. Wer auf sich aufmerksam macht, sammelt nur Pluspunkte.
Auch das leuchtet jedem ein. Es gibt sogar Leute, die jeden Freitag die Angebote der Supermärkte studieren, um hier und da ein Schnäppchen zu machen.
Aber da kommen wir auch schon auf den Punkt: Werbung, die die eigenen Interessen anspricht, ist immer gerne gesehen. Werbung für Dinge, die gerade nicht interessieren, wird hingegen als lästig empfunden. Die Werbung vom Pizzaservice nervt mich, weil ich meine Pizza selber mache. Es ist zwar nur ein bunt bedruckter Zettel, aber ich muss ihn aus der Post aussortieren und, in den Papierkorb werfen. Und den Papierkorb muss ich jede Woche zum Container fahren, um all die Werbebotschaften wieder loszuwerden. Zugegeben, das nervt.
Aber dann passiert es vielleicht, dass ich mit meiner Freundin zusammenziehen will und eine größere Wohnung suche. Wohnungen werden heute eigentlich fast nur noch unter der Hand vermittelt. Außerdem gefällt es mir hier und ich würde nicht gerne in einen völlig anderen Stadtteil ziehen. Was mache ich also: Ich schreibe mein Anliegen auf einen Zettel, jage den ein paarmal durch den Kopierer und stecke die in alle Briefkästen in der Umgebung.
Damit habe ich zwar viele Leute in meiner Umgebung genervt, denn der Streuverlust war recht hoch. Aber es hat fast nichts gekostet und einen Versuch war es allemal wert.
Werbung nervt also nur, wenn sie nicht auf Interesse trifft. Und sie nervt ganz besonders, wenn man sich dagegen wehren muss. Sie nervt, wenn man vor lauter Leuchtreklame das Straßenschild nicht sicht. Sie nervt, wenn man das Papier beseitigen muss, auf das sie gedruckt wurde. Sie nervt, wenn man sie ständig wegklicken muss, um einen Artikel zu lesen. Sie nervt, wenn man vor lauter Clickbait kaum noch die eigentliche Information erkennt.
Und sie nervt, wenn sie Dinge vorgaukelt, die eigentlich nicht gegeben sind. Wenn da zum Beispiel ganz groß ein Preis für ein Abonnement steht und man erst auf Umwegen erfährt, dass der leider nur für drei Monate gilt und dann auf das Doppelte hochschnellt. Oder wenn das verräterische „ab“ erkennen lässt, dass man genau diesen Preis nur unter ganz bestimmten Bedingungen erhält, die natürlich kaum zu erfüllen sind. Sie nervt auch, wenn sie einem mit großem Getöse aus dem Lautsprecher anbrüllt und man sie nur noch ganz schnell abschalten will.
Und genau da liegt das Problem. Die Leute trauen keinem Werber, weil sie schon so oft hinters Licht geführt worden sind. Weil jeder Handy-Vertrag voller Wenn und Aber steckt. Weil die scheinbar günstigere Packung auch deutlich weniger enthält. Weil sich unfaire Tricks ganz einfach tief in unser Gedächtnis einbrennen. Vor allem fühlen sich Konsumenten ganz schnell belästigt,
Das alles fällt dann nicht nur auf das werbende Unternehmen zurück, sondern auf die Werbung insgesamt. Und damit auf die Leute, die hinter jeder Anzeige, jedem Banner, jedem Plakat, jeder Kommunikation stecken, die Aufmerksamkeit will und Versprechen macht.
Nun kann leider von Ansehen allein niemand leben. Auch Werbe-, Kommunikations-, PR- und sonstige Agenturen sind letztendlich nur Dienstleister und nur so lange erfolgreich, solange sie auch ihren Kunden helfen, erfolgreich zu sein. Dabei sind die Einflussmöglichkeiten recht gering und letztendlich bestimmt der Kunde, wohin der Weg gehen soll.